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Facebook: was Eltern und Kinder voneinander lernen können und müssen (Vortrag von Larry D. Rosen, Teil 2)

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Wie angekündigt, folgt hier der Teil 2 der Dokumentation des Vortrags von Larry D. Rosen.

Hier geht’s zum ersten Teil

Zum Einstieg noch einmal ein paar Zahlen, welche die Bedeutung von Facebook dokumentieren:

- 20% der Internet-Zeit weltweit wird auf Facebook verbracht
- 50% der Facebook-User verbringt dort täglich eine Stunde

Der typische FB-User
- hat 130 Freunde
- 8 Freundes-Anfragen pro Monat
- Klickt 9 mal pro Monat auf “like”
- Gibt 25 Kommentare pro Monat ab
- wird jeden Monat Fan von 4 Seiten
- schließt sich 13 Gruppen pro Monat an
- posted/teilt Inhalte 90 mal auf Pinnwänden
- User mit mobilen Geräten verbringen doppelt so viel Zeit auf FB wie andere

Wie ist das zu bewerten, ist das gut oder schlecht?

Rosen schlägt in seinem Vortrag eine neutralere Position vor. Er sagt: “Es geht hier um Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung.” Dazu werden einige Beispiele beschrieben, etwa wie man sich darüber austauscht, warum es wohl cool sei, die Hose unterm Hintern zu tragen, das gegenseitige Kommentieren von Fotos, die Aufforderung, seine Meinung zu einem bestimmten Thema abzugeben. Außerdem könne man ganz unverbindlich die Profile von vielen verschiedenen Menschen einsehen (und daraus lernen?), seien es Philosophen, Künstler, Entertainer, Sportler oder Sport-Teams. Man lerne etwas über seine Peer-Group und über die Regeln, des Umgangs online miteinander (Netiquette).

Macht Technik- und Mediennutzung krank?

Zunächst eine Begriffklärung: Was heißt eigentlich, Technik- und Mediennutzung? Rosen berücksichtigt in seinen Studien folgende Faktoren:

Der täglich Zeitaufwand für Technik- und Mediennutzung:
- Online sein
- am Computer arbeiten – aber nicht online sein
- E-Mails senden und empfangen
- Instant Messaging
- Video-Spiele spielen
- Musik hören
- Fernsehen schauen

Zusätzlich wurden separat ausgewertet: Zeitaufwand für Telefongespräche pro Monat, SMS pro Monat und Facebook-Nutzung pro Monat.

Rosen geht nun der Frage nach, ob Technik- und Mediennutzung krank macht und stellt die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2009 vor.

1030 Personen wurden befragt, Eltern von Kindern, Preteens (vor der Pubertät) und Teens. Sie wurden dahingehend untersucht, wie gesund sie sind, wie gesund sie sich ernähren, wieviel sie sich täglich bewegen/Sport treiben und dem Maß der Technik- und Mediennutzung.

Die Untersuchungsfrage war:

Inwiefern ist die Mediennutzung ein Vorhersagefaktor für eine schlechte Gesundheit, schlechte Ernährungsgewohnheiten und fehlende Bewegung?

(Genau genommen muss man sagen, dass hier nur Zusammenhänge aufgedeckt werden – Ursache und Wirkung werden nicht wirklich geklärt).

Als Vorhersagefaktoren für die Gesundheit gelten nach dieser Studie:
bei Kindern:      Das Maß der Mediennutzung insgesamt
bei Pre-Teens:  das Maß der Mediennutzung insgesamt plus die tägliche Zeit für Videospiele
bei Teens:          1. das Maß der Mediennutzung insgesamt;  2. die tägliche “Online-Zeit  3. die täglich aufgewendete Zeit für Videospiele

Gibt es Zusammenhänge zwischen der Facebook-Nutzung und der mentalen/psychischen Gesundheit?

Bei zwei weiteren Studien aus den Jahren 2010 und 2011 ging Rosen der Frage nach, inwiefern es Zusammenhänge gibt zwischen der Facebook-Nutzung und der mentalen Gesundheit. Dazu wurden 777 Teenager und junge Erwachsene genauer untersucht (verwendet wurde für die Einteilung der mentalen/psychischen Gesundheit das Instrument MCMI-III – Millon Clinical Multiaxial Inventory).

Bei Teenagern korrelierte die Facebook-Nutzung NUR mit dem Narcissism, einer “Persönlichkeitsstörung”, die sich grob gesagt in einem übersteigerten Selbstwertgefühl ausdrückt (inwiefern das bei Teeanagern krankhaft ist und nicht einfach nur dem normalen Lebensgefühl entspricht, wäre hier sicher zu hinterfragen).

Bei jungen Erwachsenen fand man Zusammenhänge zwischen dem Maß der Facebooknutzung und

- Narcissism 
- Histrionic Personal Disorder
- Antisocial Personality Disorder
- Bipolar (Mania)
- Sadistic, Passive/Aggressive, Borderline, Paranoid, Somatoform

Doch inwiefern taugt die Facebook-Nutzung wirklich als Vorhersagefaktor für Persönlichkeitsstörungen? (Auch hier gilt: Ursache und Wirkung sind nicht aus den Daten abzulesen – vielleicht zieht Facebook einfach nur bestimmte Persönlichkeiten stärker an, als andere).

Nachdem die Forscher bestimmte Faktoren herausgerechnet hatten wie Alter, Geschlecht, Einkommen, ethischer Hintergrund und Bildung, blieb als Ergebnis:

Eine überdurchschnittliche Facebook-Nutzung korrelliert siginifikant mit

- Histrionic Personal Disorder
- Kritischer Umgang mit Alkohol (Abhängigkeit oder Vieltrinker) und
- Saddistischen/aggressiven Persönlichkeitsstörungen

Die nächste Frage: Gibt es so etwas wie “virtuelle Empathie”?

Um diese Frage zu beantworten wurde eine Studie aus dem Jahr 2011 vorgestellt (Spradlin, Bunce et  al, 2011), die an 1200 Nutzern von Sozialen Netzwerken durchgeführt wurde. Gemessen wurden reale Empathie, virtuelle Empathie und soziale Unterstützung. Die Forschungsfragen waren:

1. Gibt es virtuelle Empathie?
2. Wie hängt sie mit realer Empathie zusammen?
3. Wer zeigt mehr virtuelle Empathie?

Als Beispiel für virtuelle Empathie dient Rosen der Post eines Jugendlichen, der auf seiner Pinnwand über die bevorstehende Krebsoperation seiner Mutter schreibt und entsprechende unterstützende Kommentare seiner Freunde dazu erhält

Ergebnis der Studie: 
- Es gibt virtuelle Empathie, sie ist nachweisbar und messbar
- Virtuelle Empathie korrelliert mit der realen Empathie (r =.47) – sie sind nicht gleich, aber miteinander verbunden
- Mehr virtuelle Empathie und reale Empathie haben mehr sozialen Support zur Folge – die reale Empathie ist hier 6 x bedeutsamer
- Mehr Zeit in sozialen Netzwerken hat mehr virtuelle und mehr reale Empathie zur Folge (die virtuelle Empathieist hier 5 x bedeutsamer)
- Mehr Video-Spiele haben weniger reale Empathie zur Folge

Wie ist das eigentlich mit dem Multitasking?

Mehrere Studien belegen: Multitasking ist unmöglich – bzw. wenn wir es tun “zahlen” wir dafür mit mehr Fehlern und wir brauchen länger, um eine Aufgabe zu erfüllen.

Was die neuen Medien mit sich bringen ist auch weniger ein simultanes Multi-Tasking als ein “Task-Switching”.

Wie arbeiten Studenten heute? Welche Rolle spielen für sie Multi-Tasking bzw. Task-Switching?

Dies wurde durch Rosen, Carrier  & Cheever (2011) an “279 middle school, high school and university students” untersucht. Sie beobachteten die Studenten 15 Minuten lang bei der Arbeit und achteten auf folgende Faktoren: Welche Geräte sind an/aus, wieviele Fenster sind auf dem Desktop geöffnet/parallel laufende Anwendungen und glichen das ab mit den schulischen Leistungen.

Die Forschungsfragen lauteten:
1. Wie gut können sich die Schüler/Studenten inmitten parallel laufender Anwendungen/Medien konzentrieren?
2. Welche Zusammenhänge gibt es zur schulischen Leistung?

Die Ergebnisse
- Die Studenten und Schüler verloren während der 15-minütigen Beobachtung ihre Konzentration im Schnitt alle drei Minuten – über alle Altersgruppen hinweg
- Sie hatten im Schnitt 3 Fenster auf ihrem Desktop geöffnet, während sie arbeiteten

Welche Zusammenhänge gibt es mit der schulischen Leistung? (Geschlecht und Alter wurden als Faktoren herausgerechnet):

Positiv auf die schulischen Leistungen wirkten sich aus:
- die Fähigkeit, sich auf EINE Aufgabe (einen Task) zu konzentrieren
- die Ausgereiftheit ihrer Lernstrategien

Negativ auf die schulischen Leistungen wirkten sich aus:
- ein häufiges “Task-Switching”
- die insgesamt mit Medien (pro Tag) verbrachte Zeit
- wenn die Probanden während der 15 Minuten Beobachtung Facebook checkten

Eine weitere Studie, die Wakefield Research Study (2011) fand heraus:

- 73% der Studenten können nicht arbeiten ohne irgendeine Form der Technologie
- 38% halten es nicht länger als 10 Minuten aus, ohne ihren Laptop oder ihr Smartphone zu checken

Also, was tun?

Die Eltern sind gefragt – Erziehung ist wichtig.

In einer früheren Studie (Rosen et al, 2008) belegt Rosen, dass der Erziehungsstil mit dem Internet-Verhalten korrelliert. Er plädiert daher  für einen “authoritativen” (bestimmenden/Grenzen aufzeigenden) Erziehungsstil. Dieser sei verbunden mit einem besseren Online-Verhalten, einer geringeren Neigung zur Internet-Abhänmgigkeit, einem größeren Selbstbewusstsein, weniger Depressionen etc.

Jetzt wird es konkret: Wie entwickelt man einen “authoritativen Erziehungsstil”?

1. Regeln aufstellen und Grenzen setzen für die Nutzung von Technologien und Medien

2. Mit den Kindern und Schülern über diese Regeln und Grenzen reden, sie nach ihrer Meinung fragen

3. Im Vorhinein festlegen, was bei einer Regelverletzung passiert (geringe Konsequenzen, die steigerbar sind, falls notwendig). “Verhaltensverträge” abschließen

Es gilt ein Gleichgewicht zu finden zwischen “laissez-faire” und Verboten – doch ein Thema sollte es sein zwischen Kindern und Eltern.

Vor allem: Die Eltern sollten Bescheid wissen, WARUM sie ihren Kindern etwas verbieten oder die Mediennutzung einschränken. Sonst sind die Kinder schnell dabei mit dem Argument “du hast doch keine Ahnung”. Recht haben sie, die Kinder, solange sich die Eltern weigern, die neuen Medien kennen zu lernen.

Dr. Rosen fasst seinen Erziehungsstil so zusammen “The T.A.L.K.”

Die vier Bestandteile sind:
- Trust (Vertrauen)
- Assess (Bewerten)
Learn (Lernen)
- Kommunicate (miteinander reden)

In der Umsetzung sieht das dann so aus: Man redet selbst eine Minute und lässt die Kinder 5 Minuten reden, man hat ein wöchentliches “Meeting” zu relevanten Themen UND man lernt von seinen Kindern die Technologie kennen ….

Dr. Fenichel, der Larry D. Rosens Vortrag für uns dokumentiert hat, schließt seinen Bericht mit einer kleinen Randnotiz über Larry D. Rosens halbwüchsige Tochter, die ebenfalls im Publikum saß:

I  can’t help notice, it’s seemed to work for him, as his daughter is seemingly  focused and engaged, and successful enough in school to end up at a top college.  Later on she’ll likely get a text from Dad inviting an old-fashioned phone call - after he checks Facebook, of course.



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